Ich bin schon als Bub mit dem lokalen Landtierarzt mitgefahren.
Du hast in Zürich studiert, bist zuerst bei den Pferden gelandet. Warum der Wechsel zu den Rindern? Warum nicht Kleintiere?
Die Kleintiermedizin hat mich nie interessiert. Pferdemedizin schon, deshalb habe ich dort meine Dissertation geschrieben. Aber wofür mein Feuer brennt, das sind die Rinder. Und die Landwirtschaft. Ich bin schon als Bub mit dem lokalen Landtierarzt mitgefahren.
Früher war die Nutztiermedizin die Daseinsberechtigung der Veterinärmedizin, heute wird sie von Studierenden kaum mehr gewählt. Was ist passiert?
Das Interesse an der Nutztiermedizin hat in den letzten 30 Jahren kontinuierlich abgenommen, jenes an Kleintieren zugenommen. Ich weiss nicht genau, weshalb. Vielleicht liegt es daran, dass man in der Kleintiermedizin mehr verdient. Das stimmt aber nur, wenn man es auf den Stundenlohn runterbricht. Das Einkommen in der Nutztiermedizin ist etwa gleich gross, nur muss man dafür etwa anderthalbmal so lange arbeiten. Vielleicht sind Kleintiere auch einfach salonfähiger als Nutztiere.
Wie könnte man das Interesse an der Nutztiermedizin steigern?
Das haben schon viele Fakultäten versucht. Man kann bei der Studienplatzvergabe ein separates Kontingent für Studierende schaffen, die sich auf Nutztiere spezialisieren möchten. Utrecht hat dies probiert, aber auch Japan kennt dieses Modell. Dort wird den Studierenden ein Teil des Studiums bezahlt, im Gegenzug müssen sie nach dem Studium eine bestimmte Zeit in der Nutztierpraxis arbeiten, sonst müssen sie die Beiträge zurückbezahlen. Das wäre ein möglicher Weg. Wenn es an einem anderen Ort funktioniert, weshalb sollte es nicht auch in der Schweiz funktionieren?
Wer hätte ein Interesse dran, dies zu finanzieren?
Die Branche – in diesem Fall die Landwirtschaft – müsste interessiert sein. Aber auch der Bund – schliesslich geht es um Lebensmittelsicherheit und -versorgung. Das Bewusstsein ist da: Es ist bekannt, dass wir einen Nachwuchsmangel im Nutztierbereich haben. Das zeigen auch die politischen Vorstösse.
Eine Kuh hat ziemlich viel mehr Wert als eine Sau.
Wie siehst du die Nutztiermedizin in 20 Jahren? Was verändert sich?
Der Fokus bewegt sich weg vom Einzeltier. Die Herdengesundheit und damit die Lebensmittelsicherheit rücken in den Kern unserer Arbeit. Etwas, was wir bei den Schweinen schon vor über zwanzig Jahren beobachtet haben. Das kommt auch bei uns – einfach ein bisschen später und weniger drastisch: Eine Kuh hat ziemlich viel mehr Wert als eine Sau.
Dein wissenschaftliches Vermächtnis ist riesig. Gibt es etwas, worauf du besonders stolz bist?
Ja, mehrere Sachen (lacht). Besonders die angewandte Forschung mit hohem Effekt auf das Tierwohl, welc he auch zu Gesetzesänderungen geführt hat. Angefangen mit der Eine Kuh hat ziemlich viel mehr Wert als eine Sau. Anästhesie bei der Kastration: Vor 20 Jahren war eine Schmerzausschaltung bei der Kastration von Kälbern noch nicht vorgeschrieben. Oder die Forschung zur Euterfüllung bei Ausstellungskühen: Wir konnten mit Ultraschall die Euterüberfüllung nachweisen. Das wird jetzt an den grossen Milchviehausstellungen angewandt. Stolz bin ich aber auch auf die Lehre: Unsere Studierenden sind im ersten Jahr noch schüchtern, fast ängstlich. Und irgendwann verlassen sie selbstbewusst die Uni mit einem Doktortitel in der Tasche. Es ist viel aus ihnen geworden. Es war immer schön, deren Entwicklung zu verfolgen.
Was hast du nicht erreicht?
Vielleicht ist es gar nicht so viel. Mit den Dingen, die mich interessieren, habe ich mich so lange beschäftigt, bis sie eine Wirkung gezeigt haben. Aber das dauert. Bis wir im Klauengesundheitsprojekt eine nationale Kampagne haben, geht es jetzt noch weitere fünf bis zehn Jahre.
Kommunikation ist extrem wichtig.
Du hast Dich mit Deiner Arbeit immer für das Tierwohl eingesetzt, nicht immer zur Freude aller. Wie geht man mit Widerstand um, damit man seine Ziele erreichen kann?
Kommunikation ist extrem wichtig. Das habe ich gelernt in dieser Zeit. Früher war ich darin nicht so gut. Es geht darum, möglichst von Anfang an die gesamte betroffene Branche in die Diskussionen einzubeziehen.